Was Habitus und Aussehen angeht, geht Pöbel MC wohl als das wandelnde Klischee des Menschentyps Antifa-Macker durch. Seine Rolle im Deutschrap verortet Pöblos Rhetorico Erotica der Erste damit zwischen den beiden vermeintlichen Gegensätzen "quatschen wie Deutschlehrer" und "klatschen wie Türsteher".
Nähreren Einblick in die Lebenswelt des gemeinen "Bildungsbürgerprolls" liefert der Titeltrack, der irgendwo zwischen dem gewohnten Boombap und eher neu hinzugewonnenen Trap-Anleihen daherkommt. Das ergibt eine explosive Mischung, die dem Song ein gehöriges Hitpotential verschafft und gar das Potenzial hat, das gute alte "Pöbel & Dance" als ultimativen Livebrecher abzulösen. Wer mir jetzt noch verrät, woher das dämliche Martial Arts Filmzitat zu Beginn stammt, bekommt wahlweise ein Snickers oder eine Rolle Klopapier.
Stand das dritte Tape noch ganz unter dem Motto 'Schelle, links rechts', kommt das offizielle Debütalbum - das berühmt-berüchtigte Reclamdesign legt es ja nahe – eine ganze Spur nachdenklicher daher. Dabei nimmt sich Pöbel MC zwar selbst nicht besonders ernst, tritt aber in den politischen Songs wie auch in den persönlichen Momenten erfreulich unironisch und mit echter Leidenschaft auf.
"Unsere Toleranz ist ihr Kalkül zur Macht", warnt er etwa vor falsch verstandener Toleranz gegenüber rechts, denn "ihre Gruben sind gebuddelt, ihre Knarren sind schon scharf". Auch der Deutschrap Mehrheitssound wird sich in der geballten Attacke mit Kollabopartner Milli Dance zur Brust und in die Pflicht genommen. "Man feiert euren Sound, wer feiert was ihr sagt?"
Kurzum: Pöbel MC ist gehörig angefressen. Von schnödem Materialismus, von "künstlich primitiven" Images und nicht zuletzt auch von "deinem Clausthaler-Flow". Er muss aber auch einsehen, dass es Gegner gibt, die sich nicht so einfach bekämpfen lassen. Denn: "Toys kann man wegficken, Einsamkeit nicht".
Auch weil er aus dem bekannten Kosmos der bisherigen Tapes ausbricht, ist die Single "Dopamindealer" neben dem Titeltrack das Highlight der Platte. "Mein Tor zur Welt ist ein kleiner schwarzer Spiegel, der mehr über mich weiß als die Menschen, die mich lieben" bekennt der Rapper und schafft damit einen sehr persönlichen und gänzlich unpeinlichen Track, in dem sich so manche:r wohl stärker wiederfindet, als er das wahrhaben möchte.
Dieser markiert auch das fulminate Ende einer bockstarken ersten Albumhälfte und läutet einen merklichen Bruch ein. Ab "Schlau Ohne Grund" wird in den verbleibenden sechs Songs wieder nach Herzenslust gepöbelt und geprollt. Alles gemäß der Maxime: "nur Versager lassen ihre Mitmenschen ausreden".
Zugegeben, die letzten beiden Titel hätte man für einen restlos runden Eindruck vielleicht besser ausgespart, aber das soll den Gesamteindruck nicht trüben. Mit "Bildungsbürgerprolls" macht Pöbel MC musikalisch noch einmal einen gehörigen Schritt nach vorne und legt zwischen ignoranten Punchlines und pointierter Gesellschaftskritik ein so unterhaltsames, wie intelligentes Rap-Album vor.
© Laut