2017 nahm sich Lucinda Williams die Freiheit, einen Schritt zurück in die Vergangenheit zu machen, um eine komplette Neuinterpretation ihres legendären Albums aus dem Jahre 1992, Sweet Old World, vorzulegen, das sie bei dieser Gelegenheit dann in This Sweet Old World umbenannte. Jetzt, drei Jahre später, legt die Königin des Americana neue Texte vor, nun aber auf einer 100%ig neuen Platte. Auf den zuletzt veröffentlichten Down Where the Spirit Meets the Bone (2014) und The Ghosts of Highway 20 (2016) jonglierte Lucinda mit Arrangements, Gesang, Songstrukturen und sogar mit einer introspektiven Variante ihrer Texte. Auf Good Souls Better Angels stellt sie ihr erzählerisches Talent jedoch etwas in den Schatten, um die derzeitigen Ungerechtigkeiten und Gehässigkeiten anzufechten. Häusliche Gewalt (Wakin’ Up), unheilvolle Nachrichten in den Medien (Bad News Blues), Niederträchtigkeit in den Social Media (Shadows & Doubts), der Fall Donald Trump (Man Without a Soul), nichts entgeht ihr! Dieser alles andere als lähmende Aktionismus wird von ihrer langjährigen Band (Schlagzeuger Butch Norton, Gitarrist Stuart Mathis und Bassist David Sutton) mit einem Soundtrack voller schnörkellosem Rock’n’Roll unterstützt. Eine ungeschminkte und ungeschliffene Musik, die wie in einem Film zwischen energiegeladenen Titeln und Balladen hin und her wechselt.
Dieses ergreifende Good Souls Better Angels verdankt sein Dasein eher dem Blues als dem Country. „Der Teufel hat sich ziemlich oft durch dieses Album geschlichen. Ich mochte immer schon die Bilder, die Robert Johnson in seinen Songs beschreibt und diesen so düsteren Delta-Blues, der mehr oder weniger biblischen Charakter hat. Ich habe mich von Leonard Cohen inspirieren lassen, weil er in seinen Stücken davon erzählt, aber auch von Bob Dylan et Nick Cave.“ Bei dieser Weltuntergangsstimmung mit Bezug auf das Alte Testament nutzt Lucinda Williams ihre Songs (die sie großteils, und das ist eine Premiere, zusammen mit Tom Overby, ihrem Manager und Ehemann geschrieben hat!) als Pilgerstäbe und pazifistische Waffen. Und wenn sie dann ihre Messe ausklingen lässt mit den Zeilen: „(...) Ich möchte bei all den Leuten bleiben, die mir helfen, Kraft zu finden, wenn ich verzweifelt bin, die mich leiten und mir helfen, stark und mutig zu bleiben“, dann kann man einfach nicht mehr von ihrer Seite weichen. © Marc Zisman/Qobuz