“Warum einfach, wenn es auch umständlich geht?” - der bekannten Redewendung entsprechend haben Tool, wortwörtlich gesagt, ihr Album aufs Genaueste berechnet. Und es gäbe noch mehr darüber zu sagen, dass die Gruppe sich wiederholt, wo doch mit diesem verblüffenden Lateralus das genaue Gegenteil mathematisch belegt worden ist. Der Mathematiker Leonardo Fibonacci - er lebte vor 800 Jahren - hatte bereits die Möglichkeit geboten, diese Zahl so zu lesen wie wir es heute tun, anstatt sich durch die Buchstaben DCCC durchzuarbeiten (d. h. er setzte die indisch-arabischen gegen die römischen Zahlen durch). Er hat aber auch die nach ihm benannte Folge definiert, die Tool für ihr drittes Album verwendet haben. Das Prinzip ist recht simpel: die beiden ersten Ziffern sind eine Eins und die folgende Zahl ist zwei, ihre Summe, daraufhin ergibt die Summe zweier aufeinanderfolgenden Zahlen jeweils die unmittelbar danach folgende Zahl.
Diese Folge steht in engem Zusammenhang zum Goldenen Schnitt und ist, abgesehen von der mathematischen Frage, in der Natur und sogar im Universum zu finden, das fängt an mit den Schneckenhäusern, geht weiter mit Orkanen, Früchten wie der Ananas und selbst den in der technischen Analyse der Finanzmärkte eingesetzten Kennzahlen und reicht bis hin zu den Galaxien… Die Mitglieder von Tool sind nicht von gestern und haben auf Anregung des Schlagzeugers Danny Carey hin ihre Begeisterung für Fibonacci in die Komposition einfließen lassen. Es ist aber gar nicht nötig, sich an (den großen Fibonacci-Fan) Cédric Villani zu wenden, um Tools verhexte Musik zu verstehen. Trotz der eigenartig komplexen Technik brauchen wir uns bei jedem der genauso kompakten wie nuancierten dreizehn Stücke (siehe Fibonacci!) nur wie von Wellen dahintreiben zu lassen. Und jedes Mal, wenn wir uns die Platte von neuem anhören, entfernen wir uns noch ein Stück weiter vom Festland und von allem, was wir bisher zu kennen glaubten. © Jean-Pierre Sabouret/Qobuz