"It’s cool man, got red bottoms on. Life is good, you know what I mean?" Selbst eine weltweite Pandemie kann Futures unerschöpflichen Hedonismus nichts anhaben. In Rocky-Gedenkpose triumphiert er auf dem Cover seines achten Studioalbums "High Off Life": Ein visueller Vorbote für den unersättlichen Inhalt der 70 Minuten langen LP.
Wer nach dem großartigen "The Wizrd" oder der Lean-getränkten "Save Me"-EP mehr Introspektive erwartet, oder denkt, Future würde sich artistisch weiterentwickeln, täuscht sich - zumindest auf den ersten Blick. Mit "High Off Life" dreht der König Atlantas eine oberflächlich fast schon unverschämt protzige Ehrenrunde um die Blöcke seiner Heimatstadt. Von der Trap bis zur Penthouse-Suite: Future gibt sich einmal mehr als skrupelloser Drug-Lord, misogyner Fuckboy und größenwahnsinniger Unternehmer mit mehr Geld in den Taschen, als er je ausgeben könnte. Doch die Einsamkeit folgt dem Exzess auf dem Fuße.
Future bleibt eben Future, auch musikalisch. Mit Fokus auf drogengeschwängerte Melodien und monotone, aber eingängige Hooks, rappt und singt sich der Trap-Magier über detaillierte Hochglanz-Instrumentals die Seele aus dem Leib. Das Rezept, das der Amerikaner mit "DS2" perfektionierte, schmeckt eben auch fünf Jahre später noch. Dabei markiert "High Off Life", auch wenn es insgesamt etwas zu lang gerät, eines seiner besten Unterfangen seit jenem Magnum Opus.
Auch wenn sich hinsichtlich Plutos künstlerischer Einschränkungen, bei über einer Stunde an Material der ein oder anderen Filler nicht vermeiden lässt, so fallen nur wenige Tracks wirklich nachhaltig negativ auf. Sicherlich, "Trillionaire" oder "Tycoon" hat man binnen Sekunden wieder vergessen, aber dennoch stehen sie dem Flow und Vibe der Platte nicht im Weg. Anders sieht es mit der Lil Uzi-Kollabo "All Bad" aus. Futures Ausflug ins Eternal Atake-Universum gerät vor allem aufgrund der fehlenden Chemie zwischen den beiden Trap-Aliens äußerst anstrengend. Auch Futures Solo Space-Abenteuer "Outer Space Bih" sticht ähnlich negativ aus der Tracklist hervor.
Gegenteilig dazu wartet die erste Hälfte von "High Off Life" mit der mitunter höchsten Hit-Dichte in Futures Karriere auf. Von "Trapped In The Sun" bis "Hard To Choose One" gibt es quasi keinen Aussetzer. Stattdessen finden sich Karriere-Highlights wie "Ridin Strikers" oder "HiTek Tek". Getragen von düsteren Keys, ekstatischen Drums und DS2-Ära-Beat-Switches läuft er zur absoluten Höchstform auf. Dabei konterkarieren die Produktionen von Southside, ATL Jacob und Will-A-Fool Futures Maßlosigkeit und liefern den melancholischen Subtext, die andere Seite der Medaille.
So umgarnen zum Beispiel die unheimlichen Synths auf "Trapped In The Sun" Futures Materialismus, als würden sie vor der einsamen Realität, die hinter der Fassade lauert, warnen wollen. Auch auf "Touch The Sky" kauft man dem Rapper aus Georgia die Unbeschwert, mit der er über seine Ferraris und Maybachs erzählt, nicht ab. Zu ominös klimpern die Keys im Hintergrund.
Es kristallisiert sich das altbekannte Bild eines emotional abgestumpften Rappers heraus, der vor seinen Problemen in Sportwagen flieht oder sie in Swimming Pools voller Lean ertrinkt. Doch wie bereits zuvor "Feds Did A Sweep" auf "Future", "Codeine Crazy" auf "Monster" oder "Percys Calling" auf "Purple Reign", so bietet auch "Accepting My Flaws" einen Moment der nüchternen Reflexion. Der Song ist zu gleichen Teilen Liebeserklärung an seine Partnerin wie auch ein Einräumen der eigenen Fehler. Zwischen all den Tiffany-Taschen, Chanel-Fanny-Packs und Gucci Bucket Hats, mit denen er seine Geliebte Lori Harvey überhäuft, scheint eine ungewohnte Verletzlichkeit hindurch: "I've been trying to fight my demons, I've trying to fight the cup. I always tell her shemy therapy, I told her it was rough."
Doch im Gegenteil zu vergangenen Projekten ertrinkt Future nicht in dieser Melancholie, sondern fasst einen optimistischen Entschluss: "Life Is Good" sagt er sich im Duett mit Drake, einer Single die vorab aufgrund ihrer zweiaktigen Struktur unverhältnismäßig viel Kritik ernten musste. Dabei funktioniert Drakes Laid-Back Verse als Build-Up für Plutos gestärktes, aggressiv vorgetragenes Selbstbewusstsein hervorragend, was vor allem durch die Platzierung auf dem Album offensichtlich wird.
Auch wenn "Last Name" eine weitere, vor allem von Lil Durk getragene, trostlose Detour in die Straßen von Atlanta liefert ("I seen a grown man shed tears 'cause he lost his trial / I saved the streets, a crazy feeling just to lose a child"), so lässt sich Future im Endspurt nicht mehr aus seiner wiederentdeckten hedonistischen Spur bringen. "High Off Life" endet mit "100 Shooters" folgerichtig genauso rücksichtslos, kaltblütig und größenwahnsinnig wie es begonnen hat: "I’ve been gettin richer and richer, damn near piss on bitches."
© Laut