„Alle meine Alben ähneln und beeinflussen einander, und das trifft auch auf dieses hier zu. Der Sound ist hier wirklich raumfordernd.“ Auf diese Weise definiert Justin Vernon, die treibende Kraft des Bon Iver-Projekts, sein viertes Opus. Ein Album, das einen zwölfjährigen Lebenszyklus beendet, im Laufe dessen er nach dem Indie-Folk-Winter mit For Emma, Forever Ago zuerst im Kammer-Pop-Frühling seines gleichnamigen Albums und schließlich mit 22, A Million im Sommer mit Gewitterwolken gelandet war. Übrigens hätte es eine vierte Saison beinahe nicht gegeben. Die Promo-Tour des letzten Albums ging nämlich ganz plötzlich zu Ende, weil Vernon mit Depression und Angstanfällen bei dem Gedanken, sein Leben auf dem Land nie mehr wieder fortsetzen zu können, zu kämpfen begann. i,i entstand also nach einer Erholungsphase als Synthese seines Werdegangs.
Das ergibt einen Herbst mit unzähligen, bunten Blättern, in dem er die Klangbilder fließend verknüpft und die malerischen Orchestrierungen, digitalen Sounds und Vokalharmonien diskret aufeinanderschichtet, sodass vor unseren Augen plötzlich die noch unbeschriebene Leinwand des nächsten Bildes auftaucht. Diese Art Rückblick auf seine musikalische Vergangenheit enthält auch eine introspektive Rede, mit der Vernon versucht, seinen misanthropischen Hang mit geselligeren Augenblicken zu mildern: „I should’ve known / That I shouldn’t hide/ To compromise and to covet/ All what’s inside“, singt er in Faith bei crescendo ansteigendem Elektro-Folk, der von wummernden Bässen im Hintergrund getragen wird, während andernorts Chöre und übersättigte Leads ineinander übergehen. In RABi, im allerletzten Song dann, scheint er endlich Zufriedenheit zu verspüren, wenn er sich im Rhythmus einer ungewöhnlich nüchternen Instrumentierung an die Zuhörerinnen und Zuhörer wendet: „Sun light feels good now, don’t it? And I don’t have a leaving plan/ But something’s gotta ease your mind/ But it’s all fine, or it’s all crime anyway“. Es kling wie ein kathartisch wirkendes Finale, nicht nur für den Musiker, der nun offensichtlich seine Dämonen losgeworden ist, sondern auch für den Hörer – für uns, obwohl wir ihn nie aus den Augen gelassen, sondern von Anfang an bejubelt haben. © Alexis Renaudat/Qobuz