Cipriano de Rore, ein Madrigalist aus dem 16. Jahrhundert, wird wohl in modernen Zeiten eine rätselhafte Figur bleiben – eine leicht verständliche Erklärung und tiefschürfende Klarstellung seines Werkes steht noch aus. Die vorliegende Aufnahme mit Ausschnitten aus dem expressiven Schaffen de Rores durch Björn Schmelzer und Graindelavoix ist erhellend und faszinierend – jedoch nicht leicht fasslich. Nichts anderes war von Schmelzer zu erwarten.
Wie bei vielen Glossa-Aufnahmen des Ensembles Graindelavoix ist die grafische Gestaltung des Booklets ein integraler Bestandteil der schlüssigen Interpretation (wie auch der Booklettext aus der Feder Schmelzers). Abgebildet sind unter anderem von Albrecht Dürer und Hans Mielich geschaffene Bilder, Statuen der Melpomene und der Medusa, Skulpturen von Michelangelo, ja sogar ein Kameengefäß aus Sardonyx. Laut Schmelzer macht ein Portrait des Komponisten deutlich, dass er im Wesen von einem manischen Wahn oder »furor divinus« besessen war und dass seine Erscheinung einem ausgemergelten Hund glich.
De Rore stammt aus Ronse – nicht weit entfernt von Schmelzers Geburtsort Antwerpen. Er gilt als Schlüsselfigur in der Entwicklung des Madrigals, und sein Stil entwickelte sich im Verlauf seiner Karriere entscheidend weiter. Das Programm des Ensembles Graindelavoix bewegt sich von einigen seiner frühen Stanzen-Vertonungen aus Ariosts Orlando furioso bis hin zu späten, wesentlich radikaleren Madrigalen. Auf diesem Album ist außerdem de Rores Version der Klage der Dido aus Virgils Aeneis zu hören.© Glossa