Die Karriere von Andrea Lucchesini verläuft unaufgeregt, im Schatten anderer, stärker mediatisierter italienischer Pianisten. Er war, wie Nelson Goerner, ein brillanter Schüler der großen Maria Tipo und hat sich in Italien viel im Konzert und durch Platteneinspielungen hervorgetan. Nachdem er durch seine Interpretationen von Werken Luciano Berios, insbesondere das Konzert Echoing Curves unter der Leitung des Komponisten, bekannt geworden war, nahm er für das Label Stradivarius eine Gesamteinspielung der Beethoven-Sonaten auf.
In den letzten Jahren ist Franz Schubert sein Weggefährte, "meine große Liebe" wie er sagt. Die beiden grundverschiedenen Komponisten der Frühromantik faszinieren Andrea Lucchesini, der hier sein zweites, Schuberts Spätwerk gewidmetes Album vorlegt. Es enthält Werke aus einer Zeit, in der der Liedkomponist wieder anfing Sonaten zu komponieren – im Schatten Beethovens, der obendrein noch in der gleichen Stadt lebte wie er.
Schubert bleibt für Lucchesini ein Rätsel. Er hinterließ nur wenig Schriftliches, hatte nie eine feste Adresse, und niemand wird je seine Schüchternheit, seine innere Unruhe oder seine latente Homosexualität verstehen. "Die Arbeit mit Schuberts letzten Werken", so Andrea Lucchesini, "haben mir den Unterschied gezeigt, zwischen dem Künstler, der seine Freunde unterhielt, und dem Komponisten, der in der Einsamkeit arbeitete, ohne Aussicht auf Veröffentlichung oder Aufführung seiner Werke." Nach einem Album, das der Sonate A-Dur, D. 959, gewidmet ist, bietet er uns hier die letzte Sonate des bereits todkranken Schubert, der es fertigbringt, zwischen den Tränen und der Bitternis eines durch Krankheit zerstörten Lebens voller Enttäuschungen zu lächeln. © François Hudry/Qobuz