Nachdem György Vashegyi mit seinem Orfeo Orchestra und dem Purcell Choir als letztes Contis Missa Sancti Pauli und Rameaus Les Indes galantes herausgebracht haben, präsentieren sie mit der vorliegenden Platte die Weltersteinspielung einer Passion aus der Feder des heutzutage praktisch vollkommen unbekannten Komponisten Gottfried Heinrich Stölzel. Sein Name sagt noch nicht einmal den eifrigsten Anhängern von Barockmusik etwas, obwohl er ein bedeutender Protagonist des deutschen Musiklebens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war: Aus Dokumenten der Zeit geht hervor, dass selbst Johann Sebastian Bach, um nur den größten Experten zu nennen, große Stücke auf ihn hielt. Das hier eingespielte Werk, Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld, ist ein sogenanntes Passionsoratorium, ein musikalisches Genre, das im 18. Jahrhundert im deutschsprachigen Gebiet weit verbreitet war und auf einer Reihe lyrischer Betrachtungen über die Geschichte der Passion Christi beruht. Stölzel selbst schrieb auch das Libretto. Wenn man Stölzels Passion gehört hat, kann man dem Gründer der „Correspondierenden Societät der musicalischen Wissenschaften“ Lorenz Mizler nur beistimmen, der einen Nachruf auf Stölzel veröffentlichte: »... Sein Nahme wird dahero nicht nur bey der Societät, sondern allen wahren Tonkünstlern iederzeit Verehrungwürdig seyn und bleiben.« Diese Vorhersage hast sich zwar nicht bewahrheitet, aber Aufnahmen wie die vorliegende könnten eine echte, wenn auch verspätete Stölzel-Renaissance einleiten. Er hat es verdient. © Glossa