Diese schöne Neuauflage würdigt zwei Künstler auf einmal: Claude Debussy, der 1918 starb und Gérard Souzay, der im gleichen Jahr in Angers geboren wurde. Der französische Bariton hat sehr unter dem unwiderruflichen negativen Urteil von Roland Barthes in dessen berühmtem Essay Mythologies aus dem Jahr 1957 gelitten. Der Semiologe stufte die Kunst von Gérard Souzay als signaletisch und als Musterbeispiel für bürgerliche Kunst ein. Er beschuldigte den Sänger, die Anzeichen für Gefühle zu betonen und nicht die Gefühle selbst. Man könnte jetzt natürlich lange Glossen zum Thema "Übertrieben ausdrucksstarke Interpretationen" schreiben, die dem maßvollen und zurückhaltenden französischen Geist missfallen. Wir sollten aber lieber Gérard Souzay dankbar dafür sein, dass er einer der besten Interpreten der französischen Mélodie war und diese während seiner gesamten Karriere mit Leidenschaft interpretierte. 1962 nahm er das vorliegende Album auf, kurz nachdem er anlässlich des fünfzigsten Entstehungsjahres von Debussys Pelléas und Mélisande unter der Leitung von Ernest Ansermet an der Oper in Rom in der Rolle von Golaud debütiert hatte, die er später mit großem Erfolg in Paris sang.
Gérard Souzays Repertoire beschränkte sich jedoch nicht nur auf französische Lieder, er interpretierte auch das deutsche Lied, insbesondere beim Festival in Salzburg. Seine Aufnahmen der Schubert-Lieder gingen um die Welt. 1956 hat Gérard Souzay das Canticum Sacrum von Strawinsky unter der Leitung des Komponisten im Markusdom in Venedig uraufgeführt.
Von Debussys erstem Lied Beau soir bis Fêtes galantes und Promenoir des deux amants führen uns Gérard Souzay und Dalton Baldwin durch die ganze Palette zarten Ausdrucks hindurch. Sensibel auf die geringsten Veränderungen in diesem faszinierenden Universum reagierend und mit einer klaren und verständlichen Diktion, wandelt Souzay zwischen strenger Genauigkeit und einem Hauch von Geziertheit, der den stilistischen Kunstgriffen und den komplexen Harmonien gänzlich entspricht. © François Hudry/Qobuz