Mit Michel Pignolet de Montéclairs Jephté inszeniert György Vashegyi stilsicher und energiegeladen eine weitere fesselnde vernachlässigte französische Barockoper. Das Werk, das auf der biblischen Erzählung eines Feldherrn beruht, der durch ein heiliges Gelübde dazu verpflichtet ist, seine eigene Tochter zu opfern, wurde 1732 ein unmittelbarer Erfolg. Es entwickelte sich zu einem festen Bestandteil der französischen Oper und kam allein an der Opéra in den drei Jahrzehnten nach seiner Uraufführung über hundert Mal auf die Bühne.
Montéclair und sein Librettist Pellegrin standen Revisionen der Oper aufgeschlossen gegenüber, und so es ist die dritte und letzte Version, die vom Centre de Musique Baroque de Versailles vorbereitet und von Vashegyi und seinen Musikern aufgenommen wurde. Die anspruchsvolle Hauptrolle der Iphise wird hier von Chantal Santon Jeffery übernommen, zu der sich Tassis Christoyannis als unglücklicher, aber im Krieg erfolgreicher Titelheld, Judith van Wanroij als verzweifelte, aber resolute Mutter und Thomas Dolié in der Rolle des Phinée als Überbringer göttlicher Botschaften gesellen.
Montéclairs Musik zeichnet sich durch Phantasie und Individualität aus, die sich aus seiner langjährigen Erfahrung als Musiker im Orchestergraben der Pariser Opéra speist – und Jephté ist ein Werk seiner reifen Schaffensperiode. In dieser dritten Fassung sind die Ergebnisse all dieser Erfahrungen zu hören; das Orfeo Orchestra zeigt seine Fähigkeiten in schwungvollen Arien, Menuetten, Märschen und einer Chaconne, aber auch bei einer pastoralen Feier mit Musetten, die den Purcell Choir zu Höchstleistungen anspornt. Auch in anderen Passagen ist der Chor auf verschiedene Arten dazu aufgerufen, Krieger, Israeliten und Mitstreiter der Iphise zu repräsentieren. © Glossa