Im russischen und allgemein im romantischen Repertoire blüht Anna Fedorova auf. Ihre Auftritte mit dem Orchester der Nordwestdeutschen Philharmonie - im Großen Saal des Concertgebouw in Amsterdam, wie auf ihrem YouTube-Kanal zu sehen ist - bezeugen es. In den Klavierkonzerten von Tschaikowsky und Rachmaninow offenbart sich eine leidenschaftliche Musikerin mit einer hervorragenden Technik. Anna Fedorova wird hier, wie uns der Titel Storyteller ihrer neuesten Aufnahme, der zweiten für Channel Classics Records ankündigt, zur Geschichtenerzählerin. Das vorhergehende Album, Four Fantaisies, war bereits von der Kraft der romantischen Fantasie inspiriert. Den antiken Aöden gleich trägt die ukrainische Pianistin zu Musik gewordene Erzählungen ihrer drei Schirmherren Chopin, Liszt und Skrjabin vor. Epische Balladen und Sonette, manchmal tänzerisch, oft kontemplativ und immer von kraftvoller Poesie erfüllt.
Die "Albumblätter", die Anna Fedorova diesen drei Komponisten entnimmt, erzählen alle von großen Heldentaten, die das Klavier als Herold verkündet. Während die epische Seite dieser Werke besonders hervorgehoben wird, ist der Pianistin ihre poetische Dimension nicht unbekannt. So bietet sie von der Vierten Sonate, Op. 30 von Skrjabin eine überschwängliche und erhebende Version. In weniger als 9 Minuten Musik ensteht ein Universum (Andante), das sich anschließend in einem gewaltigen Sturm (Prestissimo volando) entfesselt. Anna Fedorova bezwingt diese komplexe Partitur: Die Melodie taucht mit einer selbstverständlichen Klarheit aus den Wogen auf, denen sich der überwältigte Zuhörer mit Freude überlässt. Von Chopin bis Skrjabin erleben wir die Entwicklung einer Tonsprache hin zu immer mehr Abstraktion und harmonischem Einfallsreichtum und verfolgen gleichzeitig die Entwicklung einer Musikerin. © Elsa Siffert/Qobuz