So mancher – also gut, wir nennen den Namen: Strawinsky – hat vorgegeben, Vivaldi hätte 500 Mal das gleiche Konzert geschrieben, was absolut falsch ist. Niemand wagt zu behaupten, dass er 100 Mal die gleiche Sonate geschrieben habe, was nur recht und billig ist. Die Sechs Sonaten für Cello (hier gespielt von Jean-Guilhen Queyras) und Basso Continuo – Cembalo/Orgel, Theorbe und zweites Cello, gespielt von Michael Behringer, Lee Santana beziehungsweise Christoph Dangel – wurden 1740 in Paris nach einem bisher unveröffentlichten Manuskript herausgegeben. Natürlich haben die Verleger damals den Komponisten weder bezahlt, noch sind sie dem Manuskript treu geblieben. Beim Vergleich mit der Druckausgabe findet man zahlreiche „Korrekturen“: einen übertrieben (und schlecht) bezifferten Generalbass, Streichung der Vorzeichen zur Vergrößerung oder Verkleinerung von Intervallen, Verweise für bestimmte Dissonanzen, Rhythmen, Wiederholungen, Artikulationen, Noten und Harmonien, neben anderen Flüchtigkeitsfehlern – oder vielmehr Schalheiten! Das Manuskript bietet einen ganz anderen Reichtum als die Druckausgabe, die zweifellos für wenig abenteuerlustige Amateure gedacht war. Die Originalmusik bietet dagegen tausend Überraschungen, zwischen chromatischen Fantasien, tänzerischer Eleganz, bäuerlichem Schabernack und lyrischem Schwung. Kurzum, der wahre Vivaldi – derjenige, der von einem Werk zum anderen ständig etwas Neues erfand. © SM/Qobuz